Die Angst, dein bester Freund (German Edition) by Huber Alexander

Autor:Huber, Alexander [Huber, Alexander]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Herausgeber: Ecowin Verlag
veröffentlicht: 2013-09-28T22:00:00+00:00

Die Angst und ihr Imageproblem Lukas Eberle

Wer bei Google einen Begriff in die Suchleiste eintippt, bekommt sofort einige Wörter vorgeschlagen, mit denen die Anfrage erweitert oder präzisiert werden kann. Die Internet-Suchmaschine bietet die Ergänzungen aufgrund von früheren Suchen an. Google hat also ein Gedächtnis, einen Erfahrungsschatz, und den stellt es uns gerne zur Verfügung, noch bevor wir unsere Eingabe mit Enter bestätigt haben. Die Vorschläge von Google können ein guter Indikator für das sein, wonach die Masse im Internet so Ausschau hält.

Wenn man nun das Wörtchen „angst…“ eingibt, bietet Google zum Beispiel folgende Ergänzungen an:

„Angstzustände“,

„Angst vor langen Wörtern“,

„Angst vor Nähe“,

„Angst vorm Zahnarzt“,

„Angst vor der Geburt“.

Wenn man seine Suche beginnt mit „Angst ist…“, folgen Vorschläge wie:

„ein schlechter Ratgeber“.

„eine Lüge“.

„schlimmer als der Tod“.

Der Halbsatz „Angst macht…“ wird fortgeführt mit:

„krank“.

„dumm“.

„den Wolf größer als er ist“.

„keinen Lärm“.

„mich fertig“.

So viel steht schon mal fest: Die Angst kommt im Internet nicht gut weg. Google führt 122 Millionen Treffer zu dem Suchbegriff „Angst“. Unter den Ergebnissen auf der ersten Seite findet man ganz weit oben den Wikipedia-Artikel über die „German Angst“. Etwas weiter unten gibt es einen Link zur Webseite angst.org, dort wird berichtet, dass 60 Prozent aller Kinder Angst vor einem chirurgischen Eingriff haben. Noch etwas weiter unten stößt man bei einem Artikel über Zecken auf die Überschrift: „Angst vor dem gefährlichsten Tier Deutschlands“. Bei der Bildersuche zur „Angst“ taucht als erstes „Der Schrei“ auf, das Gemälde des norwegischen Expressionisten Edvard Munch. Diese Frau mit dem entsetzten Gesicht, dem aufgerissenen Mund. Es ist nicht unbedingt ein schöner Anblick. Schon die kleine Netzrecherche zeigt, dass Angst ein ernstes Problem unserer Gesellschaft ist. Angst bedeutet offenbar Schmerzen und großes Leid. Für die meisten Menschen ist Angst ein Fluch, eine Seuche. Angst, so scheint es, ist ein Drama.

Kaum jemand kennt sich besser mit Angst aus als Borwin Bandelow. Er ist einer der weltweit führenden Angstforscher und arbeitet an der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen. Bandelow forscht seit zwei Jahrzehnten zum Thema Angst und Angsterkrankungen, zudem behandelt er seit Jahren Patienten. Ihn suchen jene auf, die im Internet nicht mehr weiterkommen. In seiner Sprechstunde sitzt der Professor Frauen und Männern gegenüber, die Angst vor allem haben – vor dem Fliegen, vor Sex, vor einem ihrer Körperteile. Einmal erschien ein Mann, der an einem Geschwür im Rücken fast gestorben wäre. Der Grund: Er ging nicht ins Krankenhaus, weil er Angst vor Spritzen und Verbänden hatte. Auf der Welt gibt es einhundert Millionen Menschen, die immer wieder von Panikattacken geplagt werden. Allein in den deutschsprachigen Ländern leiden 17 Millionen Menschen unter Angsterkrankungen. Auch die Angst, die nicht krank macht, beschäftigt uns in einem ziemlich hohen Maß. Das Gesundheitsmagazin „Apotheken Umschau“ hat bei der GfK Marktforschung eine Umfrage zu unseren häufigsten Ängsten in Auftrag gegeben. Demnach haben wir am meisten Angst vor unheilbaren Krankheiten, wir haben Angst davor, ein Pflegefall zu werden und dass unseren Angehörigen etwas Schlimmes zustößt.

Es stimmt, wir haben heute so viel Angst wie nie zuvor. Aber haben wir auch Grund dazu? Professor Bandelow sagt, dass sich an unserem Gefühlshaushalt über die Jahrtausende nichts verändert habe.

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